Ein Veranstaltungsrückblick
Die aktuellen Krisen, mit denen die EU derzeit konfrontiert ist, sind zahlreich. Mit dem Vereinigten Königreich hat ein ehemaliges Mitglied die EU verlassen, die Verhandlungen stocken, die Gefahr eines No-Deal Brexits steigt. Corona und die Klimakrise als weltweite Herausforderungen. Und natürlich die humanitäre Ausnahmesituation der Menschen in den Hotspots auf den griechischen Inseln.
Vergangene Woche stellten sich die sächsische Europaministerin Katja Meier, der Leiter des Europa-Hauses Leipzig, Christian Dietz und Emely Marie Schäfer, Vorsitzende der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Sachsen die Frage, was die EU und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft angesichts dieser vielen Herausforderungen leisten kann und muss? Und, was diese Krisen und ihre Bewältigung für die Zukunft der EU bedeuten. Online und offline gab es großes Interesse an der Podiumsdiskussion „Neustart Europa? – Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in Zeiten der Krisen“ zu der die grüne Landtagsfraktion ins Haus der Stadtmission nach Leipzig eingeladen hatten. Nach einer Begrüßung und Einführung durch die Landtagsabgeordnete Claudia Maicher führte ihre Kollegin Lucie Hammecke, europapolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, als Moderatorin durch den Abend.
Einen systemischen Neustart braucht die EU nicht – da waren sich alle Podiumsteilnehmer*innen einig. Es gebe allerdings Gefahren, wie die Uneinigkeit bei der Bewältigung der humanitären und politischen Krise zur Situation der Menschen auf den griechischen Inseln, das nationalstaatliche, unkoordinierte Krisenmanagement zu Beginn der Corona-Pandemie und den Brexit, die die EU schwächen können, betonte Europaministerin Katja Meier. Die EU habe sich konstant weiterentwickelt in den letzten Jahrzehnten, das sei eine ihrer Stärken. Das föderale System Europa sei aber nie infrage gestellt worden. Christian Dietz hob hervor, dass die Vielfalt der Meinungen und Lösungsansätze zwischen den Mitgliedstaaten zu akzeptieren sei und weiterhin auf Augenhöhe diskutiert werden müsse. Emely Marie Schäfer verglich die Europäische Union mit einer Fußballmannschaft. Jedes Mitgliedsland sei wie ein Spieler mit eigener Persönlichkeit und eigenen Eigenschaften und Ansichten. Wie eine Mannschaft, habe die EU jedoch gemeinsame Ziele. Diese seien nur durch das Schließen von Kompromissen zu erreichen. Europa könne bereits auf viele Erfolge aufbauen. Jetzt gehe es darum, Europa, getreu dem Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, „gemeinsam wieder stark zu machen“.
Anfang Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Für eine erste Bilanz der Arbeit sei es noch zu früh, sagten die Podiumsgäste. Es gebe es eine sehr gut Begleitung der Präsidentschaft mit Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen, sodass sie in der Breite gut wahrgenommen werde. Katja Meier wünschte sich in den Bereichen Klima, Asyl, Integration und Mobilität mehr Aktionismus der Regierung, die bei diesen Themen ihren Vorbildcharakter nutzen müsse. Auch das Thema Rechtsstaatlichkeit mit Blick auf die queerfeindlichen Entwicklungen und umstrittenen Reformen der Justiz in Polen sollte noch höher auf die Agenda rutschen. Eine Möglichkeit der Steuerung sei, die Auszahlung von EU-Mitteln an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeitsprinzipien zu binden, was auch Chrstian Dietz befürwortete.
Alle Gäste bedauerten, dass das große Ziel der Ratspräsidentschaft, den Green New Deal auszubauen von der Corona-Krise in den Hintergrund gedrängt werde. Die Europäische Kommission gehe beim Klimaschutz deutlich ambitionierter vor, als die deutsche Ratspräsidentschaft.
Eine der Publikumsfragen widmete sich der Stärkung des Europäischen Parlaments. Wichtig sei es die Kompetenzen des Parlaments zu stärken und das Europäische Parlament und den Rat auf eine Stufe zu stellen, insbesondere, was die Möglichkeit des Initiativrechts für Gesetze anbelange, einigten sich alle Podiumsgäste. Eine weiterer Weg die EU noch bürgernäher und transparenter zu gestalten sei das System der Wahl des Kommissionspräsidenten und das der Spitzenkandidaten bei der Europawahl zu überdenken. Außerdem sei die viel diskutierte Einführung europäischer Listen bei der Europawahl eine veritable Chance das europäische Gemeinschaftsgefühl zu stärken.
Auf die Frage, wie das Bewusstsein für Europa in Sachsen gestärkt werden könne, verwies Katja Meier auf das kostenlose Interrail Kontingent der EU, Austauschprogramme und Dialogforen mit den Nachbarländern Polen und Tschechien und äußerte den Wunsch eine Partnerregion mit Frankreich einzurichten. Emely Marie Schäfer berichtete über die positive Resonanz die ihr Verband für seine überparteiliche europapolitische (Jugend-) Bildungsarbeit in Sachsen, wie zum Beispiel die Simulation des Europäischen Parlaments, erhalte.
Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann weiter über die Facebook-Seite der Grünen Landtagsfraktion abgerufen werden (Start ab Minute 25).