Die Lausitz wandelt sich – mit dem Ausstieg aus der Braunkohle steht die Region vor großen Herausforderungen und noch viel größeren Chancen. Dieser riesige Transformationsprozess ist entscheidend für die Zukunft der Menschen vor Ort und der Region als Ganzes – und wird deshalb politisch viel diskutiert. Doch obwohl vor allem junge Menschen auf die Entwicklung der Lausitz angewiesen sein werden, werden gerade sie beim Strukturwandel nicht genügend berücksichtigt.

Welche Vision haben Jugendliche für die Zukunft ihrer Region? Wie gelingt es, sie in wichtige Entscheidungen einzubinden und in diesem großen Transformationsprozess mitzunehmen?

Diesen Fragen sind meine Kollegin Kathleen Kuhfuß, Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion, und ich auf den Grund gehen und haben deshalb am 14. März Expert*innen zu einer Diskussion in den Grünen Laden Bautzen/Budyšin eingeladen.

Den ersten Impuls des Abends lieferte Lukas Mosler. Lukas ist Mitglied des BÜNDNISGRÜNEN Kreisverbandes Bautzen/Budyšin und ist in Hoyerswerda aufgewachsen. Er berichtete von den Erfahrungen, die viele junge Menschen im ländlichen Ostsachsen vermutlich genauso unterschreiben könnten: Die einzige Chance, mobil zu sein, ist oft das Auto. Gleichzeitig ist es deshalb häufig Voraussetzung, um sowohl Freizeit- als auch Beteiligungsangebote wahrnehmen zu können. Er machte deutlich, wie wichtig der Faktor Mobilität für die Region ist und dass eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs unverzichtbarer Bestandteil des Strukturwandels sein muss, damit Jugendliche, die im ländlichen Raum aufwachsen, sich nicht abgehängt fühlen. Außerdem machte er deutlich, dass gerade eine Stadt wie Hoyerswerda, die im Zuge des Braunkohleabbaus rasant gewachsen ist, eine Vision für die Zukunft benötigt. Diese Zielrichtung muss jetzt gemeinsam entwickelt werden, um gerade für die jungen Menschen einen wichtigen Faktor zum Verbleib in der Lausitz zu bieten.

Anschließend stellte Timon Conrad das Jugendgutachten vor, das er zusammen mit vielen anderen jungen Menschen aus den deutschen Kohlerevieren in einem mehrtägigen Planathon entwickelt hat. Gemeinsam wurden mehr als 500 konkrete Ideen, Vorschläge und Projekte entwickelt und zusammengetragen, die in die Strukturwandelprozesse einfließen sollen. Dabei sind sowohl die Themen Klima- und Umweltschutz, als auch Verkehr, Digitalisierung und Tourismus beleuchtet worden: Welche Alleinstellungsmerkmale kennzeichnen die einzelnen Regionen und sollten sie sich für die Zukunft auf Kernfaktoren spezialisieren? Was kann man von anderen Strukturwandelregionen lernen und gibt es vielleicht Synergieeffekte? In der Folge wurde das Papier sowohl an die Bundes-, als auch an die zuständigen Landesregierungen übergeben, um gemeinsam zu sondieren, welche Punkte bereits realisiert werden oder in die Planungen aufgenommen werden können. In den kommenden Monaten sollen weitere Verhandlungsrunden stattfinden. Er betont, wie wichtig es ist, dass die Gespräche mit den Ministerien auch zu konkreten Ergebnissen führen.

Das Jugendgutachten in seiner Kurz- und Langfassung findet ihr unter folgendem Link: https://jugendstrategie.de/jugend-gutachten-planathon/

Anikó Popella von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung spricht darüber, wie Jugendbeteiligung gelingen kann und welche Hürden und Probleme bisherige Formate mit sich bringen. Viele davon seien sehr voraussetzungsvoll und holen vor allem jüngere Menschen nicht dort ab, wo sie sich aufhalten. Sie wirbt dafür, Prozesse und Fakten “zu übersetzen” und damit greifbarer zu machen: Fragen, wie zum Beispiel die der zukünftigen Energieerzeugung, fänden in den Lebensrealitäten vieler jüngerer Menschen einfach nicht statt und könnten ohne eine Erklärung auch überhaupt nicht dort ankommen. Niedrigschwelligkeit und konstante Arbeit vor Ort seien essentiell, um Jugendliche für das Thema Strukturwandel zu sensibilisieren. Jugendliche, die bereits Interesse und Engagement für die politische Diskussion rund um die Zukunftsfragen der Regionen entwickelt haben, bräuchten dann natürlich auch solche Angebote wie das Jugendgutachten – eben nicht nur in Halle oder anderen Großstädten, sondern direkt vor Ort und nachhaltig.

Umso wichtiger sind Jugendtreffs und Jugendhäuser gerade im ländlichen Raum, die sie auch mit ihrer Aktion Mission 2038 unterstützt. Hierbei soll das Thema Strukturwandel eben unter den von ihr genannten Rahmenbedingungen an die Orte gebracht werden, an denen Jugendliche sich aufhalten.

Weitere Informationen zu der Kampagne findet ihr hier: https://mission2038.de/

Als letzter Referent ergänzt Norbert Hanisch vom Kinder- und Jugendring Sachsen, welche Rahmenbedingungen es noch benötigt, damit solche Beteiligungsprojekte tatsächlich gelingen können. Er betont, wie wichtig es ist, dass solche Formate, die Jugendliche zum Brainstormen und Entwickeln von Projekten animieren, auch ein Ergebnis nach sich ziehen: Wenn die Ideen, die gemeinsam erarbeitet werden, nachher in einer Schublade versanden, schadet das Format mehr, als es nützt. Mit solchen Angeboten muss immer eine gewisse Selbstwirksamkeit einhergehen – das Gefühl, mit dem eigenen Mitwirken auch tatsächlich ein Ergebnis erzielt zu haben. Deshalb sei es auch so wichtig, diese Formate einerseits so nachhaltig wie möglich anzulegen, andererseits beteiligte Erwachsene auch dafür zu sensibilisieren, den Ideen und Wünschen junger Menschen einen angemessenen Raum zu geben. Ihre Themen müssen – und daran scheitere es aktuell zu oft – von Verantwortungsträger*innen unbedingt ernst genommen werden. Nur so könne man gemeinsam eine tragfähige Vision für die Zukunft der Region entwickeln.

Im Anschluss meldeten sich noch einige der Zuschauenden zu Wort, beispielsweise die Betreuerin eines Jugendbeirates, die berichtete, wie das Engagement der Jugendgruppe langsam gewachsen ist: Über den Wunsch nach einer Skaterampe haben sich einige Jugendliche zusammengefunden und beim örtlichen Jugendhaus nach Hilfe gesucht, um ihre Idee umzusetzen. Nach und nach entstand daraus das Konzept des Jugendbeirates, der nun den Gemeinderat in Angelegenheiten, die junge Menschen betreffen, beraten soll. Auch der Bürgermeister beziehe sie aktiv bei Entscheidungen mit ein. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie aus einer projektbezogenen Idee eine Struktur wachsen kann, die nachhaltige Jugendbeteiligung ermöglicht.