Besuch von Selbsthilfe-Projekten auf Lesbos
Geflüchtete Menschen auf Lesbos leben im Camp Moria. Direkt neben dem eigentlichen Lager schließen sich weitere Siedlungen an, die als „Dschungel“ bezeichnet werden. (Nähere Infos findet Ihr auch hier: https://tschinderle-fuchs.atavist.com/wir-nennen-es-hier-dschungel-) Zudem gibt es noch weitere kleine Camps, die oft eine bessere Infrastruktur als das Hauptcamp Moria aufweisen. Eines dieser Camps ist z.B. das Vorzeigecamp „Kara-Tepe“ des UNHCR für Familien. Hier leben bis zu 1300 Menschen in ca. 200 Containern, mit Schule, Freizeitangeboten und viel Hilfe von Geflüchteten für Geflüchtete. In dem Camp dürfen nur Menschen leben, die als außerordentlich schutzbedürftig gelten. Meist sind dies Familien mit mindestens einem schwerkranken oder behinderten Familienmitglied. Die Familien warten hier auf ihr weiteres Verfahren und oft auf ein Weiterverteilung in andere EU-Länder. Das Camp ist kein Zuhause, es ist eine Transitstation, aber es ist ein Ort an dem es zumindest Wasser, Duschen, feste Wände und Selbsthilfe gibt.
Hilfe zur Selbsthilfe ist auch im Bildungsprojekt „Mosaik“ von „Lesvos Solidarity“ oberstes Prinzip. Ein wunderschöner Hof, einige Klassenzimmer, eine Kreativwerkstatt und eine Näherei sind zum einen Orte der Begegnung zwischen Einheimischen und Geflüchteten und zum anderen Orte der Bildung. Einheimische und Geflüchtete arbeiten hier zusammen, vermitteln Wissen und Toleranz und wollen den Neuankömmlingen im Camp Orientierung geben. Die angebotenen Kurse bieten eine Unterbrechung vom trostlosen Campalltag und haben daher sehr lange Wartelisten. Damit geflüchtete Menschen, die in Moria leben müssen, hierher in die Inselhauptstadt kommen können, bekommen sie das Busticket bezahlt.
„PIKPA“, bezeichnet eigentlich einen Ort für Ferienlager in Griechenland. Auf Lesbos war der Ort lange verlassen und wurde vor einigen Jahren von Aktivisten für Wohnungslose umgestaltet und als Transitmöglichkeit für Geflüchtete genutzt. 2015 waren dann bis zu 700 geflüchtete Menschen hier notdürftig untergebracht. Heute sorgt das Team von „PIKPA“ für Menschen, die in Moria besonders gefährdet sind: Unbegleitet Kinder, minderjährige Mütter und Familien mit Einschränkungen. Gerade werden einige der kleinen Holzhütten für Frauen mit Neugeborenen hergerichtet. Die Volunteers wollen diesen Frauen einen sicheren Ort bieten und sie so aus dem lebensunfreundlichen Camp Moria holen.
Erschreckend war für uns, dass die Förderung durch UNICEF für die Betreuung der bis zu 30 unbegleiteten Kinder bei „PIKPA“ zum 30. September 2020 eingestellt wird. Dies macht einmal mehr deutlich, dass die Betreuung nicht nur durch Ehrenamtliche geleistet werden darf und kann. Durch den Wegfall der Förderung müssten die Kinder wieder ohne Schutz und Betreuung im Lager Moria leben. Noch dramatischer ist, dass einige der Kinder seit Monaten auf eine Familienzusammenführung warten, auch nach Deutschland. Die Organisatoren werden jetzt versuchen, über die Flüchtlingsräte der Städte die Verfahren zu beschleunigen. Im Übrigen wird auch hier auf die Hilfe von deutschen kommunalen Flüchtlingsräten gebaut.
„Flüchtlinge für Flüchtlinge“ ist in dem Camp in Sachen Bildung ebenfalls ein wichtiger Ansatz. Wir konnten mit zwei Schulen Erfahrungen austauschen, wie selbstorganisierte Bildung mitten im Elend funktioniert. Die Geflüchteten im Camp fungieren als Lehrer*innen und bieten Sprachkurs für andere, im Camp lebende, Geflüchteten an. Die NGO-Mitarbeiter*innen helfen bei der Infrastruktur, der Organisation und der Bereitstellung von Lehrmaterial. Schaut selbst:
„Stand by me Lesvos“, eine der NGOs, die Bildung organisiert, packt auch andere Probleme an. Nach dem Prinzip des Self-Empowerments bilden sie in Erste-Hilfe-Kursen Ersthelfer*innen aus, die im Falle eines Notfalls im Camp aktiv werden können. Außerdem organisieren sie mit Geflüchteten im Camp eine Art Pfandsystem, um den 15.000 Wasserflaschen die täglich weggeworfen werden etwas entgegen zu setzen. Hier könnt Ihr Euch selbst einen Eindruck vom Projekt verschaffen: