Abschlussbericht der Fachkommission vorgestellt

Noch immer sind Frauen in der Politik extrem unterrepräsentiert. Die sächsischen Landratswahlen in diesem Jahr haben dies (leider) wieder eindrücklich bestätigt: von allen 40 Kandidat*innen bei den Wahlen waren nur fünf Frauen. Damit verbindet sich ein immenser Verlust an Perspektiven und Ideen, den wir uns gerade im Hinblick der aktuellen gesellschaftlichen Probleme nicht erlauben können. Frauen repräsentieren zwar die Hälfte der Gesellschaft und sind von Entscheidungsprozessen betroffen, doch ihr Blick auf die Welt, ihr Wissen und ihre Lösungsvorschläge spiegeln sich in der praktischen Politik unzureichend wider.

Dies zu ändern ist eine große Herausforderung, der wir uns auch in der Landesregierung stellen. Ich habe dazu in den letzten anderthalb Jahren in der „Fachkommission zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an politischen Wahlämtern“ mitgewirkt, dessen Abschlussbericht im Juni vorgestellt wurde. Seit Mai 2021 hat diese Kommission Ideen entwickelt, damit Frauen zukünftig im gleichen Maße wie Männer in politischen Entscheidungsgremien beteiligt sind. Mit dem jetzt vorliegenden Bericht haben wir erstmals einen umfangreichen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der den Frauenanteil in politischen Gremien erhöhen soll. 

Unser Katalog enthält sieben Themencluster, denen jeweils einzelne Maßnahmen zugeordnet sind. Jedes Cluster hat eigene Pat*innen aus Politik, Wissenschaft oder Zivilgesellschaft. Politik auf allen Ebenen zeichnet sich durch fehlende Repräsentanz von Frauen in Wahlämtern aus, damit fehlen weibliche Perspektiven auf politische Entscheidungen. Unser gemeinsames Ziel ist es dies zu bekämpfen und Maßnahmen für einen höheren Frauenanteil aufzuzeigen.

7 Themenfelder und 35 Maßnahmen

Datengrundlagen

Die Basis eines solchen Projektes ist natürlich zunächst eine gute Datengrundlage. Wie hat sich die Teilhabe von Frauen an politischen Ämtern in den vergangenen Jahren entwickelt? Wo hakt es bisher und wo sind bereits gute Entwicklungen sichtbar?

Schon beim aktuellen Frauenanteil im sächsischen Landtag wird die Problemlage sichtbar: aktuell sind 86 der 119 Abgeordneten Männer. Damit ist der Frauenanteil im Vergleich zur letzten Legislatur sogar rückläufig. Die Dringlichkeit der Fachkommission wird schon an diesem Beispiel deutlich. Die Themenpat*innen dieses Clusters haben deshalb in verschiedenen Einzelmaßnahmen vorgeschlagen, die Datenbasis durch Datenerhebungen in Sachsens Landes- und Kommunalpolitik, regelmäßiges Monitoring und gezielte Studien zu verbessern.

Netzwerke und Empowerment

Ein wichtiger Baustein, um Frauen für Politik zu begeistern, wurde in diesem Themencluster konkretisiert. Durch Frauennetzwerke und gezieltes Empowerment können sich Frauen bei der Nachwuchsförderung und der Teilhabe an politischen Entscheidungen gegenseitig unterstützen. Dazu müssen aber natürlich auch die Strukturen verändert werden, damit Frauen nicht sofort in Konkurrenz zueinander treten müssen, um den einen „Frauenplatz“ zu erlangen.

Um diesen Prozess weiter zu unterstützen, braucht es eine sachsenweite Netzwerk-Struktur für Frauen und Mentoring- und Bildungsprogramme für verschiedenste Teilgruppen (z.B. Schülerinnen, Auszubildende, Studentinnen etc.)

Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit

Solange in der Öffentlichkeit noch zu wenig über den gleichberechtigten Zugang von Frauen zu Wahlämtern und die Vorteile, die eine vielfältigere Politik bringt, gesprochen wird, können sich auch die dahinterliegenden Strukturen nicht ändern.

Die Themenpat*innen dieses Clusters haben deshalb wichtige Maßnahmen erarbeitet, die die Wahrnehmung von Frauen in der Öffentlichkeit aber auch den Austausch mit Männern befördern sollen. Mit öffentlichen Kampagnen vor Wahlen, Veranstaltungsreihen und einer Offensive gegen Sexismus in der Politik kann nicht nur das Klima verändert werden, sondern auch Frauen für Politik und öffentliche Ämter begeistert werden.

Kandidatinnengewinnung

Innerhalb dieses Themenclusters wurden Wege gesucht, die Rekrutierung von Kandidatinnen für politische Ämter und Mandate zu verbessern. Einem höherem Frauenanteil in der Politik stehen aber nicht nur patriarchale Strukturen auf allen Ebenen im Weg, so auch parteiinterne Logiken bei der Kandidat*innen-Aufstellung.

Deshalb zielen die Maßnahmen in diesem Teilbereich zum einen auf die Verbesserung von Informationen zur politischen Arbeit auf Kommunal- und Landesebene und zum anderen in Richtung der Parteien, die bei der Kandidatinnengewinnung die zentrale Rolle spielen.

Parteikulturen und -strukturen

Anknüpfend an das vorangegangene Themencluster wurden auch hier die Parteien als zentrale Strukturen der politischen Willensbildung in den Blick genommen. Entscheidend ist die Frage, wie Parteien Frauen in politischen Funktionen besser unterstützen können.

Dabei sollen die vorgeschlagenen Maßnahmen überparteilich Frauenförderung und Beteiligung unterstützen, gewählte Frauen im Wahlkampf und in der Ausübung ihres Mandates unterstützen und familienfreundliche und geschlechtergerechte Parteiarbeit fördern.

Arbeitsweise und Rahmenbedingungen in Parlamenten und Räten

Damit die politische Arbeit für Frauen (und nicht nur für diese) attraktiver wird, müssen auch die Arbeitsbedingungen im politischen Betrieb auf den Prüfstand. Nicht nur alltäglicher Sexismus ist ein Problem, auch die politische Kultur ist oftmals männlich geprägt. Dies kann sich bei der Diskussionskultur ebenso wie bei familienunfreundlichen Sitzungszeiten zeigen. 

Um dem entgegenzuwirken müssen die Gremienarbeit und die Politik in den Kommunen und im Land familienfreundlicher und geschlechtergerechter werden. Die Aufwandsentschädigungen für politische Ehrenämter müssen der Arbeit angemessen sein.

Rechtliche Grundlagen

In diesem Themencluster, das ich als Patin mitverantworten durfte, haben wir die Frage diskutiert, welche rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen es gibt, um den Anteil von Frauen in der Politik zu erhöhen. Gerade die Parteien (wie wir BÜNDNISGRÜNEN), die eine Quotenregelung fix in ihren Statuten verankert haben, zeigen, dass rechtliche Rahmenbedingungen funktionieren und nicht nur einen positiven Einfluss auf den Frauenanteil sondern auch die politische Kultur insgesamt haben.

Als konkrete Maßnahmen sollten hier alle Regelungen, die die politische Arbeit von Frauen erschweren, auf den Prüfstand. Das beginnt z. B. bei Mutterschutzregelungen für Mandatsträgerinnen und endet bei der Ermöglichung von hybriden oder digitalen Gremiensitzungen. Zudem soll ein Rechtsgutachten klären, inwieweit auch das Wahlrecht hin zu Geschlechterparität geändert werden kann.

Ausblick: Und wie weiter?

Wie auch der Koalitionsvertrag deutlich macht, soll die Fachkommission die gesellschaftliche Debatte zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an politischen Ämtern begleiten. Das bedeutet, dass die Arbeit nicht mit der Veröffentlichung des Maßnahmenkatalogs endet. Die erarbeiteten Empfehlungen, die durch die Staatsregierung anzustoßen oder zu umzusetzen sind, sollen nach der Publikation mit verschiedensten Akteur*innen umgesetzt werden. Dazu werden Vereine, Verbände, Zivilgesellschaft, Verwaltung sowie Parteien angesprochen. Die Fachkommission wird sich auch weiterhin treffen und die Umsetzung der Maßnahmen begleiten und verfolgen. Die Mitglieder stehen nicht nur untereinander langfristig in Kontakt, sondern auch mit den Akteur*innen, die die erarbeiteten Vorschläge realisieren oder sich daran beteiligen.

Und hier gehts zum Abschlussbericht und dem Maßnahmenkatalog:

https://www.gleichstellung.sachsen.de/download/Massnahmenkatalog_der_Fachkommission_zur_gleichberechtigten_Teilhabe_von_Frauen_an_Wahlaemtern.pdf